20160412

Martin Adel: Für die Sünde tot, für das Gute leben

Predigt vom 10.04.2016 Sonntag Misericoridas Domini (Güte des Herrn)
Predigttext 1. Petrus 2,21b -25


Einheitsübersetzung
21 Ihr wisst doch: Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.
22 Ihr wisst: »Er hat kein Unrecht getan; nie ist ein unwahres Wort aus seinem Mund gekommen.« 23 Wenn er beleidigt wurde, gab er es nicht zurück. Wenn er leiden musste, drohte er nicht mit Vergeltung, sondern überließ es Gott, ihm zum Recht zu verhelfen. 24 Unsere Sünden hat er ans Kreuz hinaufgetragen, mit seinem eigenen Leib. Damit sind wir für die Sünden tot und können nun für das Gute leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt worden!
25 Ihr wart wie Schafe, die sich verlaufen haben; jetzt aber seid ihr auf den rechten Weg zurückgekehrt und folgt dem Hirten, der euch leitet und schützt.


Liebe Gemeinde.
1. Glaubens-Ansprüche
Die Frage stellt sich ja unweigerlich, wenn wir uns hier in der Kirche zum Gottesdienst am Sonntagvormittag treffen:
Hat sich durch den Glauben etwas in meinem Leben verändert?
Und ich meine jetzt nicht die Tatsache, dass sich natürlich etwas verändert hat, denn wir sitzen ja heute Morgen hier in der Kirche und könnten genauso gut noch in unserem warmen Bett liegen oder wandern in der Fränkischen oder fernsehglotzen oder Computer spielen.

Hat sich durch den Glauben etwas in ihrem Leben verändert?
Oder anders: verändert sich etwas in unserem Leben durch den Glauben? Oder noch anders: Würde ich anders leben, wenn ich nicht glauben würde?

Vielleicht haben sie sich noch nie diese Frage gestellt, aber diese Fragen sind interessant und wichtig. Und dann ja vor allem auch unsere Antworten darauf.
Denn, ob wir es wollen oder nicht, die anderen, die, die nicht mehr in die Kirche gehen oder die, die die Kirche und den Glauben vielleicht ablehnen, vielleicht sogar verschmähen und verspotten, die haben meistens eine ganz klare Vorstellung, wie wir Christen denn zu sein hätten und wie wir zu leben hätten oder noch besser, zu wissen, dass unser Leben nur gesetzlich und eng sein kann, lustlos und unfrei.

Wir alle kennen solche Sätze: Von ihnen als Christ hätte ich das nicht gedacht. Oder damals eine Lehrerin zu einer meiner Töchter: Von einer Pfarrerstochter hätte ich das nicht erwartet.

Letzthin erzählte mir einer Frau, dass ihre Nachbarin, mit der sie einen Streit hatte, sie dann anfuhr: Da rennen sie jede Woche hinein in die Kirche und können trotzdem so ekelhaft zu mir sein. Und die Frau hatte dann – Gott sei Dank - die schlagfertige Antwort gefunden: Was meinen sie erst, wie ekelhaft ich wäre, wenn ich nicht regelmäßig in die Kirche ginge.

Bei einem Beerdigungsgespräch von einem älteren Punker-Paar auf meine Frage, ob sie denn verheiratet wären: Nein, nein. Wir heiraten nicht. Wir sind jetzt seit 25 Jahren zusammen – sie hatten drei Kinder – und alle in unserem Bekanntenkreis, die kirchlich geheiratet haben, sind schon längst wieder auseinander. Und das klang fast so wie ein persönliches Versagen der Kirche oder womöglich sogar von Gott.
Die Nicht-Bindung als Garant für die Festigkeit einer Partnerschaft.


2. Macht Glaube erpressbar?
Macht Glaube erpressbar?
In gewissem Sinne schon – da müssen wir uns gar nichts vormachen. Wir sind erpressbar, weil wir festgelegt sind und uns festgelegt haben auf Christus. Für die einen beten wir dann zu wenig und für die anderen zu viel. Für die einen sind wir zu fromm – oft gleichgesetzt mit weltfremd – und für die anderen sind wir zu wenig christlich, d.h. wir sind nicht so lieb, so freigebig, so verständnisvoll, so nachgiebig oder so treu doof, wie sie es gerne hätten.
Und manche Geschwister in unserer Welt werden wieder dafür eingesperrt oder gefoltert oder umgebracht, weil sie Christen sind.

Jeder hat Bilder im Kopf, wie Christus war und welchem Ideal die Christen eigentlich nachfolgen wollen oder sollen.
21 Ihr wisst doch: Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.
22 Ihr wisst: »Er hat kein Unrecht getan; nie ist ein unwahres Wort aus seinem Mund gekommen.« 23 Wenn er beleidigt wurde, gab er es nicht zurück. Wenn er leiden musste, drohte er nicht mit Vergeltung, sondern überließ es Gott, ihm zum Recht zu verhelfen.

Und deshalb ist die Antwort: Natürlich verändert der Glaube. Und das ist ja auch gut so.
Nehmen wir nur die biblischen Zeugen: die Jünger, Zachäus, Bartimäus, die Frauen, Petrus, Paulus, Stefanus
Oder die Heiligen aus der Kirchengeschichte: Elisabeth von Thüringen, Franz von Assisi und, und, und
Und kaum haben wir es ausgesprochen, kommt die Erpressung der anderen: Ja, aber …! Ja, aber die waren gar nicht so heilig. Die haben alle auch dunkle Flecken.
Und dann wird es aufgezählt ….
Und hoffentlich zucken wir dann nicht nur zusammen, sondern sagen: Ja, das war so. Und das ist auch sehr bedauerlich. Aber dennoch standen sie in der Nachfolge und haben sich dem Anspruch Gottes auf ihr Leben gestellt und ihr Leben hat sich verändert hin zu mehr Gutem, zu mehr Fürsorge, zu mehr Liebe – wenn auch nicht an allen Stellen.

Jetzt sind wir ja alle keine so Großen, aber auch uns hat der Glaube verändert. Und wenn wir uns zu erkennen geben, dann werden wir oft auch beobachtet und gemessen und gewogen – ob wir bessere Menschen wären, ob unsere Ehen länger halten, ob wir weniger Streit in der Familie haben, ob wir länger leben, ob wir gesünder sind … und was weiß ich.
Und wenn das alles nicht zutrifft, dann kommt die alles entscheidende und vernichtende Frage.
Was bringt dir dann der Glaube?

3. Glaube verändert
Und hoffentlich wissen wir das dann, was WIR dann sagen könnten. Letzthin sagte ein alter Mann zu mir. Wissen sie, Herr Pfarrer, wenn ich am Sonntag in meine Kirche gehe, dann schaffe ich den Rest meiner Woche viel besser. Meine Frau ist schon so lange krank. Aber nach dem Gottesdienst hab ich irgendwie wieder mehr Kraft.
Was für ein starkes Wort.

Glaube verändert. Die Begegnung mit Gottes Wort verändert. Das Sich-Gott-aussetzen verändert. Wir können nicht mehr so tun, als ob alles beim Alten bliebe. Jeder Streit schmerzt noch einmal mehr. Jedes Elend sieht uns noch einmal mehr an. Jede Ungerechtigkeit wühlt uns noch einmal mehr auf.
Lüge, Unwahrheit, Hartherzigkeit, Lieblosigkeit  - wir spüren sie in uns, weil wir empfindlich geworden sind und zulassen, dass unsere Sehnsucht eigentlich gilt, unsere Sehnsucht nach mehr Menschlichkeit – es ist Gottes Ruf in uns, für den wir empfänglich geworden sind.
Und wir spüren noch viel deutlicher, wo unser Leben Makel hat.
Aber das macht nichts.
Denn wir müssen es Gott nicht beweisen, dass wir gut genug für ihn sind – und den Menschen schon gleich gar nicht.
Und wir müssen es uns bei Gott auch nicht verdienen, dass er uns annimmt oder ansieht in unserer Unzulänglichkeit.
Denn er hat den ersten Schritt auf uns zu getan:
24 Unsere Sünden hat er ans Kreuz hinaufgetragen, mit seinem eigenen Leib.
Und nun kann sich die Veränderung in uns ihre Bahn brechen.
Damit sind wir für die Sünden tot und können nun für das Gute leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt worden!
So Paulus.

4. … für das Gute leben
Ich weiß nicht, wie es ihnen geht, aber ich spüre diese Veränderung bei mir in den letzten Jahren ganz besonders auf dem Friedhof. Soviel Schmerz, soviel Leid und Abschied. Alt und Jung und dazwischen. Und viel Kaputtes und abgebrochenes Leben.
Doch ich kann Zuhören und Mitfühlen und Aushalten und Trauern. Bei manchem verpfuschten Leben habe ich manchmal den Eindruck, dass ich der einzige bin, der um den Verstorbenen trauert.
Ohne den Glauben an die Auferstehung Jesu könnte ich manchmal nicht mehr dort stehen. Dieses befreiende Wort Gottes ist mir dann Trost und Kraft zugleich. Nicht ich muss es mehr tragen und aushalten, weil Gott trägt und aushält. Und so kann ich mich dem aussetzen, kann verstehen, wer jemand war und was er den Hinterbliebenen war und kann sogar vom Loben sprechen und vom Danken, obwohl ihr Mann mit 74 Jahren so früh gestorben ist. Da zeigt sich in aller Trauer der Dank für das Schöne und Gute. Und es ist nicht mehr nur schwarz und dunkel und aussichtslos und gnadenlos. Ich kann vom Ostermorgen sprechen, bereits an den Karfreitagen unseres Lebens.
Durch seine Wunden seid ihr geheilt worden!
Das ist nicht mehr mit dem Kopf erklärbar, aber in unserem Herzen fühlbar und kann von dort unseren Kopf wieder befreien.
Das hat sich bei mir verändert und verändert sich immer noch weiterhin. Ein anderer Blick auf´s Leben und die Bewertung der Dinge. Freier, mutiger – trotz und in so manchen Rückschlägen und Ermüdungen.
Wir müssen niemandem etwas vorspielen. Aber wir müssen uns auch nicht dem allgemeinen Gejammere beugen, diese Haltung der ewig zu kurz gekommenen

Weil wir für die Sünden tot sind … und nun für das Gute leben.

Ich bin durch Gottes Weg mit mir nicht nur barmherziger oder gnädiger geworden, manchmal bin ich auch konfrontierender, bohrender, widerständiger.
Wenn ich verletzt bin, hilflos, wütend kann ich das wahrnehmen und ich muss nicht immer gleich poltern und rasen und mich verteidigen. Ich kann auch mal zurück stehen.
Ich bin fähig geworden, auch Fehler zuzugeben, Entschuldigung zu sagen – auch wenn es mir schwer fällt.
Ich bin fähig geworden zu loben – nicht immer – aber doch deutlicher und ich kann mich sogar freuen, wenn jemand etwas besser kann als ich.
Ich lass mich trösten, überreden, weiß nicht alles besser – obwohl ich dazu neige, am liebsten alles für mich alleine richtig zu entscheiden.
Das hat sich verändert. Ein verstehenderes Herz, ein offeneres Ohr – manchmal schon fast zu viel, so dass es dann schmerzt und man schauen muss, wie man sich selber schützt.
Und ich weiß, vielen von euch geht es ähnlich.
Doch ohne Angst, im Gespür und in der Gewissheit – Gott schaut auf mich – auch da, wo ich´s selber noch nicht begriffen habe.

Wie geht es ihnen mit ihrem Herrgott?
Was ist bei ihnen anders geworden durch den Glauben?
Mehr Trost oder getröstet sein über allen Veränderungen?
Mehr Zuversicht?
Mehr Nächstenliebe?
Mehr Kraft – innerlich?
Mehr Vergebung, als ihnen sonst möglich wäre.
In der Erinnerung an Jesu Wort wieder einmal über den eigenen Schatten springen und den ersten Schritt wagen zur Versöhnung, zur Entschuldigung, zu einem neuen Anfang.
Wie heißt es in unserem Predigtwort:
25 Ihr wart wie Schafe, die sich verlaufen haben; jetzt aber seid ihr auf den rechten Weg zurückgekehrt und folgt dem Hirten, der euch leitet und schützt.
Und das gilt damals wie heute.  Wir sind keine Heiligen, aber auf dem Weg der Heiligen. Für die Sünden tot, können wir nun für das Gute leben. Durch seine Wunden sind wir geheilt worden!  – Gott sei Dank.


Amen